Freitag, 6. März 2009

Systemrelevante Risiken am Beispiel der "grundsoliden" SWISSCOM

Hospiz St. Bernhard, bewölkt, -3 C

Mit einem Aktienpreis-Rückgang von gut -25,2% seit dem 31. Oktober 2007 steht die SWISSCOM (welche sich mehrheitlich (55,2%) im Besitz der Eidgenossenschaft befindet) im Verhältnis zum SMI (-51,3%) gut da.

Am 10. April 2007 hat die SWISSCOM 82,1% der italienischen FASTWEB gekauft. Der Kaufpreis des börsenkodierten Unternehmens betrug EURO 47.-- pro Aktie oder insgesamt 5'105 Mio. Franken. Diese Anschaffungskosten wurden bei der SWISSCOM wie folgt (siehe Jahresabschluss per 31.12.08) verbucht: Buchwert Fastweb 2'523 Mio., Anteil Minderheitsaktionäre -379 Mio. und aktivierter Goodwill 2'961 Mio. Franken.

Inzwischen ist der Aktienkurs der FASTWEB von EURO 47.-- auf EURO 17,34 (7.3.09) eingebrochen, und die Börsenkapitalisierung des 82,1%-Anteil der SWISSCOM beträgt nur noch 1'883 Mio. Franken. Das heisst der im Jahresabschluss 2008 aktivierte Goodwill von 2'961 Mio. Franken für die FASTWEB-Beteiligung müsste auf Grund des aktuellen Börsenkurses eigentlich vollständig abgeschrieben werden.

Dies muss die SWISSCOM jedoch in Anwendung der DCF-Methode (Discounted Cash-Flow) und unter Berücksichtigung des Nutzwertes (Value in use) nach den gesetzlich erlaubten Bilanzierungvorschriften nicht tun. Die SWISSCOM schreibt dazu in Ihrem Jahresabschluss:

"Als Grundlage für die Werthaltigkeitsprüfung von FASTWEB wurde der vom Management erstellte Businessplan für fünf Jahre verwendet. Der Businessplan berücksichtigt historische Erfahrungswerte und Erwartungen des Managements betreffend der Marktentwicklung. Zu den wesentlichen Annahmen, auf denen die Prognosen der künftigen Geldflüsse basiert, gehören das Umsatzwachstum und der Diskontierungszinssatz. Die Bestimmung des Endwerts erfolgt auf der Basis der Werte des Jahres 2013, welche als verlässliche Grundlage eingeschätzt werden. Der Abzinsungssatz nach Steuern (WACC post tax) beträgt 8,47%, der entsprechende Abzinsungssatz vor Steuern (WACC pre-tx) beläuft sich auf 11,10%. Die freien Geldflüsse im Endwert nach dem Detailplanungszeitraum wurden mit einer ewigen Wachstumsrate von 1,0% prognostiziert. Die verwendete Wachstumsrate entspricht den landes- und marktüblichen Wachstumsraten, die auf Erfahrungswerten wie auch auf Zukunftsprognossen basieren und mit externen Informationsquellen abgesichert wurden. Die angewendete Wachstumsrate übersteigt langfristige durchschnittliche landes- und marktübliche Wachstumsraten nicht. Aus der Werthaltigkeitsprüfung resultiert per 31. Dezember 2008 keine Wertminderung des Goodwills."

Dies also nur ein Beispiel von einem "systemrelevanten Risiko", von welchen es in der modernen Finanzarchitektur der Gegenwart unzählige gibt. Niemand stört dies, so lange die angewendeten Prognosen auch eintreten und in der Vergangenheit sind sie ja meist eingetreten, bis zur Finanz- & Weltwirtschaftskrise 2007.

Kürzlich habe ich die SWISSCOM-Rechnungen meiner Familie überprüft, wobei ich mir im klaren bin, dass dies kein gesamtschweizerisches Beispiel darstellt. Meine durchschnittlichen monatlichen Zahlungen im Jahre 2008 betrugen für verschiedene Fixnetzanschlüsse, Fax, Handys, Internetzugang ADSL, e-mails und allen Gebühren insgesamt 456.-- Franken pro Monat. Ohne Komforteinschränkung könnte ich davon durch Benutzung von Skype (gratis Internettelefon, Videoanrufe und SMS), free-mails und gratis Internet Verbindungen, etc. sofort 50% meiner SWISSCOM-Kosten einsparen. Mit etwas Umstellung, Gewöhnung und Komforteinbusse und konsequenter Nutzung aller gratis Angebote und Verzicht auf die Fixnetzanschlüsse wäre es sogar ohne weiteres möglich, die direkten Kummunikationskosten auf praktisch null zu reduzieren.

Dies also das grösste Marktrisiko der SWISSCOM aus Sicht des Kunden

Es gibt aber neben dem immer grösser werdenden gewichtigen internationalen Wettbewerbsdruck noch ein zusätzliches nicht unterschätzbares Technologie-Risiko. Die weltweite Mobilfunkbranche steht mit der Einführung der immer persönlicher werdenden (auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittenen) "Smartphones" vor einer gewaltigen Datenflut. Zur Bewältigung dieser Datenflut ist in Europa ab 2010 die Einführung des neuen Übertragungsstandart LTE (Long term Evolution) geplant, das wird, wie an der "Mobilfunk-Welt" in Barcelona angekündigt, entsprechende gewaltige Kosten auslösen und bereits redet man von der 5. Generation der Übertragung, ohne stationäre Funkstationen, indem man den Indivitualverkehr (PKW's) und den öffentlichen Verkehr als interkommunizierende Relais-Stationen heranziehen will, was die vorangetätigten Investitionen in den Aufbau und Ausbau der Funkanlagen zum grössten Teil wieder aufheben würde.

Weiter warten auf die SWISSCOM auch ordnungspolitische Risiken, wie: Änderung des Fernmeldegesetzes, neue Regulationsbestimmungen betr. Zugang, Organisation, Termination bzw. Roaming im Mobilfunkgeschäft, Eingriffe der Wettbewerbs-kommission, neue Strahlungsrichtlinien, sowie die Erledigung der bereits laufenden Rechtsstreitigkeiten.

Zusammengefasst lässt sich festhalten: Der Bund täte gut daran sich raschmöglichst von ihrer SWISSCOM zu heute noch guten Preisen zu verabschieden. SWISSAIR und UBS lassen sonst bald grüssen!

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