
An der Jahresabschluss Pressekonferenz vom 16. März 2009 meinte dazu Dr. Oehler: "Die AFG wird in Sippenhaft mit der allgemeinen Finanzkrise genommen!" Gleichzeitig geisselte er im anschliessendem Presseinterview den Bundesrat und das Parlament für die wenig vorausschauende und unprofessionelle Wirtschafts- und Staatspolitik. Doch vergessen wir nicht; Börsenkurse, die ja am freien Markt zustandekommen, sind in der Vergangenheit oft ein untrüglicher Indikator vom tatsächlichen Zustand einer Unternehmung und der realen Marktbeurteilung ihrer Führungskräfte gewesen.
Blenden wir einige Jahre zurück: In den 90er Jahren hatte der legendäre Gründer der AFG, der Unternehmer-Pionier und Metzger-Sohn Jakob Züllig einen Nachfolger für sein Lebenswerk gesucht. Nach langem Suchen, traf seine Wahl den rührigen Gipsermeister, Chefredaktor, Militäroberst und langjährigen Nationalrat Dr. Edgar Oehler. Er stellt ihn als CEO der AFG ein und gab ihm eine Beteiligung von 10% an der Firma. "Köbi" wie Jakob Züllig von seinen Freunden gedutzt wurde, war in den ersten Monaten von seinem neuen Zieh-Sohn und designierten Nachfolger absolut begeistert. Doch nach wenigen Monaten des Wirkens beklagte er sich bitter bei seinen engsten Freunden über den, wie er sagte; "selbstgefälligen Edgar". Es sei sein grösster Fehlentscheid gewesen, ein absoluter Fehlgriff und nochmals wenige Monate später kam es zur entgültigen Trennung, als Köbi vom Korpskommandaten Ricklin erfuhr, dass sich Oberst Oehler, anstatt sich kompromisslos um die AFG zu kümmern, sich noch um ein Regimentskommando bemühte. "Mehr als 10 Mio. Franken hätte ihn diesen Fehlgriff gekostet" wetterte "Köbi", soviel kostete seine Entlassung, denn er musste seinem "Edgar" auch noch die 10%-ige Beteiligung an der AFG abkaufen, um ihn entgültig los zu werden.
Es war deshalb für Dr. Edgar Oehler eine tiefe und grosse Genugtuung, als er wenige Jahre später, nach dem Tod von Köbi, seiner Witwe, für knapp 60 Mio. Franken, 26% des Kapitals und 60% der Stimmrechte der AFG Holding AG abkaufen konnte. Dies war dann auch eine einzigartige Gelegenheit nach dem Schmach des Rauswurfes nochmals anzutreten und zu beweisen, dass er tatsächlich keine "Fehlbesetzung" der AFG gewesen ist.
Der Grossaktionär Oehler ernannte sich in der Folge zum Präsidenten des Verwaltungsrates und zum CEO der AFG Holding AG und begann den "verstaubten" und "schlecht gemanagten" Konzern auszumisten, indem er sich von der altgedienten Konzernleitung in Windeseile trennte. Es blieb aber nicht nur beim Rauswurf des ehemaligen Kaders, was vertretbar ist, nein, er verklagte zudem den ex-VR-Präsident und CEO Dr. Paul Gattiker und den ex-Finanzchef Theo Bubendorff zusammen mit dem gesamten Verwaltungsrat der alten AFG, wegen Missmanagement (Währungsspekulationen), auf über 6.7 Mio. Franken Schadenersatz am Bezirksgericht Arbon. Pikant dabei ist, dass er auch die Erben von Jakob Züllig und die Frau und Kinder des inzwischen verstorbenen Verwaltungsrates Timmermann beklagte und diese sozusagen solidarisch in Sippenhaftung nahm.
Unter der neuen Führung des Alleinherrschers Oehlers wurde in kurzer Zeit die alte AFG jetzt auf neuen Kurs gebracht: Wachstum durch Aquisition, Diversifikation und Internationalisierung war angesagt! Die Motos waren: "Werte schaffen", "In Hochform bringen" und "Grenzen überschreiten". Ein Unternehmen nach dem anderen wurde eingekauft und so stieg in 6 Jahren Oehler-Herrschaft, der netto Umsatz von 697,8 Mio. Franken im Jahre 2002 auf 1'570,6 Mio. Franken, oder um +125,1%. Der EBITDA stieg jedoch nur von 98,3 Mio. Franken auf 153,2 Mio. Franken, oder um +55,8% und in der Folge fiel die EBITDA-Marge von guten 14,1% (2002) auf magere 9,8% (2008). Die verzinsbaren Finanzschulden stiegen gleichzeitig von 196,4 Mio. Franken auf 493,2 Mio. Franken, oder um +151,1%.
Auch ein Denkmal für den "König von Arbon" wurde errichtet; und so konnte im Februar 2008, in Arbon, im Beisein von 900 geladenen Gästen, das neue Konzernverwaltungsgebäude für 250 Kader- und Verwaltungsmitarbeiter als neues imposantes Wahrzeichen der "New AFG" feierlich eingeweiht werden. Der gelungene Prunkbau kostete weit mehr als budgetiert und soll mit Innenausbau gegen 45 Mio. Franken gekostet haben. In der Tat, es ist ein eindruckvolles Gebäude, vorallem was das Chef-Büro oder besser die "Presidental Suite" von Edgar Oehler anbetrifft. Sie nimmt über die Hälfte der obersten Etage in Anspruch und glänzt mit edelsten Materialien ausgestattet tatsächlich in grosser majestätischer Pracht. Ebenso eindrucksvoll ist die Eingangshalle, dessen Fassade je nach Stimmungslage des obersten Boss wohlwollendes grün, dynamisches gelb, kaltes stahlblau oder bedrohliches rot ausstrahlen oder signalisieren kann. Zur Zeit dürfte weithin sichtbar die rote Farbe dominieren, denn der selbstgefällige Unternehmer scheint sich zum Leidwesen seiner Mitaktionäre verspekuliert zu haben:
Eine seiner allerersten Aquisitionen und gleichzeitige seine erste Diversifikation war der Kauf der EgoKiefer AG, Altstätten. Die Division "Fenster & Türen" mit im letzten Jahr 382,4 Mio. Franken Umsatz (+28,3%) ist dann auch der einzige derzeitige grüne Lichtblick in der AFG. Die erfolgreiche Division wird vom ehemaligen Erb-Generaldirektor Thomas Gerosa geleitet und bringt die höchste EBITDA-Marge von 13,1%. Im Rumpfjahr 2004 war diese allerdings auch schon einmal bei 16,4%.
Unerfreulicher präsentiert sich die Division Heizungstechnik und Sanitär: Der Umsatz dieser bedeutendsten Division im AFG-Konzern (41,1%) stieg im Jahre 2008 bei guter Baukonjunktur zwar um +4,2%, der EBITDA hingegen fiel um -15,5% und die EBITDA-Marge sank entsprechend von 12,8% auf magere 10,4%.
Noch schlechter steht die Division "Küchen und Kühlen" da: Bei praktisch gleichem Umsatz wie im Vorjahr (290,5 Mio.) sank der EBIT im Jahre 2008 sogar auf unter null, auf -2,4 Mio. Franken. Dies ist das schlechteste Ergebnis der letzten 4 Jahre trotz günstiger Aquisition der Küchenmarken Piatti und Miele und trotz dem Kauf der Küchenfabrik Warendorf in Deutschland und trotz jährlichen überdurchschnittlichen Investionen in Produktionsanlagen, EDV und grosszügigen Verkaufsräumlichkeiten.
Ebenso ernüchtern ist das Ergebnis der Division "Stahltechnik": Nach einem sehr guten Jahresstart musste hier bereits im Spätherbst 2008 Kurzarbeit eingeführt werden und die Aussichten für das Jahr 2009 stehen infolge der erst am Beginn stehenden Weltwirtschaftskrise unveränderbar auf Sturm.
Das selbe Schicksal ereilte ebenso die Division "Oberflächentechnologie", deren kürzliche Aquisition aus dem Oehlerschen Privatbesitz, die AFG insgesamt über 83,5 Mio. Franken kosten wird (62 Mio. wurden bereits bezahlt und weitere Zahlungen von 21,5 stehen noch aus): Die EBIT-Marge sank im Geschäftsjahre 2008 auf 2,1%. Es musste bei einem Nettoumsatz von 95,2 Mio. Franken ein Verlust von 0,4 Mio. Franken ausgewiesen werden, ebenso wird bereits kurzgearbeitet. Die Aussichten für 2009 sind beim derzeitigen Auftragsrückgang von über 50% somit alles andere als erfolgsversprechend.
Werfen wir noch einen Blick auf die Aquisitionen seit dem 1. Jan. 2007: Insgesamt wurden Firmen für 195,1 Mio. Franken gekauft (Slovaktual S.R.O.: 47,8 Mio., Aqualux Products Holdings Ltd.: 36,9 Mio., Surface Technologie International Holding AG: 83,5 Mio. und RWD Schlatter AG: 26,9 Mio.). Da die Buchwerte dieser Käufe nur 105,2 Mio. Franken ausmachten, musste in der Bilanz per 31.12.08 für diese Aquisitionen einen Goodwill von 90,0 Mio. Franken aktiviert werden. Der Erfolg dieser Zukäufe betrug im Geschäftsjahr 2008 insgesamt 8,7 Mio. Franken, wobei allein 7,2 Mio. Franken Gewinn auf die relativ günstig eingekaufte Slovaktual S.R.O. fällt. Die übrigen Aquisitionen im Betrag von 158,3 Mio. Franken brachten somit lediglich einen Gewinnbeitrag von 1,5 Mio. Franken zum Geschäftsjahr 2008.
In den letzten Jahren kaufte die AFG laufend eigene Aktien an der Börse. Per 31.12.08 stehen insgesamt für 20,3 Mio Franken eigene Aktien in der Bilanz (durchschnittlich bezahlter Kurs gemäss eigenen Angaben: CHF 376.--). Per 20. März 2009 sind diese Aktien gemäss aktuellem Kurs noch 3,7 Mio. Franken wert. 16.6 Mio. Franken wurden vernichtet, ohne dass die Gesellschaft oder der Aktionär einen Nutzen hatte.
Nun, der forsche Oehlersche Aquisitions-Ritt musste auch finanziert werden: Am 3. Juni 2004 wurde eine 6-jährige Obligationsanleihe (Coupon 3,375%) über 150 Mio. Franken ausgegeben. Diese Obligation wird am 3. Juni 2010 fällig und muss zurückbezahlt oder refinanziert werden.
Am 2. Dezember 2004 wurde zudem mit einer Gruppe von US-Investoren eine Privatplatzierung (US PP) im Umfang von USD 160 Mio. abgeschlossen mit einer Laufzeit von sieben bis zehn Jahren. Erste Amortisationen (6 Mio. Franken) sind ab 2008 vorgesehen.
Am 26. November 2007 wurden zusätzliche CHF 275 Mio. Franken über eine syndizierte Kreditfazilität unter der Führung der Credit Suisse aufgenommen mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2013.
Wie aus dem publizierten Jahresabschluss hervorgeht, beinhalten die US-Privatplatzierung, wie auch der Konsortialkredit über 275 Mio. Franken sogenante "Covenants", wie Mindestnettovermögen, Zinsdeckungsgrad, Verschuldungsgrad, etc. Bei Nichteinhaltung der Covenants können die US-Investoren, respektive Banken, jederzeit die sofortige Rückzahlung der gesamten Kreditfazilität verlangen. Gemäss AFG sollen jedoch bis zum 31.12.08 alle dies Covenants eingehalten worden sein.
Es stellt sich also die Frage: Wie weit können diese Covenants auch im Jahr 2009 und 2010 eingehalten werden? Die Antwort gibt Dr. Edgar Oehler bei der Jahrespressekonferenz am vergangenen Montag gleich selbst, er sagte dazu: Die vorgesehende Kapitalerhöhung von 125 Mio. Franken sei auch nötig um die Einhaltung der Covenants auf den ausstehenden Kreditfazilitäten sicher zu stellen. Das lässt aufhorchen!
Doch selbst, wenn die Covenants eingehalten werden können und keine vorzeitigen Kreditkündigungen eintreten, muss die AFG, gemäss eigenen Angaben in den nächsten 18-24 Monaten auf den Hypotheken, Anleihen und Privatplazierungen, insgesamt aus normaler Fälligkeit 194.6 Mio. Franken zurückzahlen. Dazu kommen budgetierte Darlehensrückzahlungen von 97,8 Mio. und fällige Leasing-Verbindlichkeiten von 5,6 Mio. Franken. Es steht also ein kurzfristiger Refinanzierungsbedarf von gut und gerne 300 Mio. Franken im Hause.
Die am 16. März 2009 von Oehler angekündigte Kapitalerhöhung von 125 Mio. Franken ist also selbst dann, wenn diese "glatt" über die Bühne geht, was bei der derzeitigen Gesamtbörsenkapitalisierung von 134 Mio. Franken fraglich ist, nur einen Tropfen auf einen heissen Stein. Und warum sollen die AFG-Aktionäre, solidarisch mit Herrn Oehler, praktisch nochmals fast den gesamten Wert ihrer gebeutelten Anlage investieren, um mit dieser massiv in Kauf genommen teuren Verwässerung ihre Investition in eine hochspekulative Aktie zu schützen?
Nun es ist davon auszugehen, dass in wenigen Monaten die Weltwirtschaftskrise mit voller Wucht die Baubranche in Deutschland trifft und wenig später auch in der Schweiz ankommt. Die Krise in den verschuldeten Ost-Länder Europas wird dazu noch um einiges massiver ausfallen. Die AFG Holding AG kann diese lebensbedrohende Krise nicht aus den in guten Zeiten angespeckten Reserven angehen. Im Gegenteil, selbst zu besseren Zeiten konnten die vielen Aquisitionen nicht gewinnverbessernd eingesetzt werden und müssen jetzt mitten in der Krise zusätzlich konsolidiert und verdaut werden. Dazu kommen fast unmögliche Finanzierungsprobleme und die latente Gefahr von vorzeitigen Kreditkündigungen weil die Covenants nicht mehr eingehalten werden können.
Der Aktienkurs der AFG ist also völlig zurecht auf dem derzeitigen tiefen Niveau und dürfte noch ein Stück weiterfallen. Die AFG-Aktie ist ein absolutes "High Risk Papier" und es ist zu hoffen, dass der selbsternannte "König von Arbon" Kraft, Mut, Geld, Ideen und die Gesundheit hat, seinen schwerst angeschlagenen "Luxus-Liner" durch den höchst bedrohlichen Konjunktur-Orkan zu steuern. Ansonsten könnte es bald heissen: "Mann über Board" und gleich darauf "SOS Schiff unter"!
Bernhard
Alles sehr lesenswert!
AntwortenLöschenHabe Ihre News das erste mal gelesen. Kompliment! Die Recherchen sind fundiert und der Zugriff spannend und hintergründig. Beste Grüsse
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