Die Automobil-Industrie nimmt wie keine andere Branche eine dominante Stellung in der Weltwirtschaft ein. Allein die Automobilproduktion, welche im Jahre 2007 53,049 Mio. PKW‘s und 20,103 Mio. LKW’s oder insgesamt 73,152 Mio. Einheiten produziert hat, erzielte einen Umsatz von 2,1 Trillionen $ und beschäftigte 9,8 Mio. Menschen oder gut 6% aller Industrieangestellten der Welt.
Das Wachstum der Automobilproduktion betrug in den Jahren 1995 (50,036 Mio. Einheiten) bis 2007 (73,152 Mio. E.) über + 46,2%. Der Bestand an immatrikulierten Fahrzeugen stieg weltweit von 1995: 479 Mio. Fahrzeuge auf 827 Mio. Fahrzeuge im Jahr 2004 und dürfte derzeit 1 Milliarde Fahrzeuge überschritten haben. Der Motorfahrzeugbestand hat sich weltweit in 15 Jahren mehr als verdoppelt!
Auf jeden Industrieangestellten in der Automobilindustrie rechnet man mit 6 zusätzlichen Arbeitskräften in der Auto-Service-Industrie (Handel, Reparatur & Aftersales-Service). Insgesamt beschäftigt die Automobilwirtschaft direkt über 60 Mio. Leute. Indirekt, zählt man den Bau & Unterhalt der Strassen und alle Infrastrukturen für das Auto dazu, inkl. die automobilbezogenen Aktivitäten der Banken, Versicherungen, Erdölindustrie, etc., etc. dürften weltweit über 15% aller Jobs vom Autogeschäft abhängen. In den 19 grössten Industrieländer der Welt beträgt der Anteil der Automobilwirtschaft direkt und indirekt knapp 1/3 des BIP. Der direkte und indirekte Beitrag der Automobilewirtschaft zur Finanzierung des Staatshaushaltes dieser Länder beträgt gegen 40%.
Es ist evident, dass die Automobilwirtschaft in der global vernetzten Weltkonjunktur eine absolute Schlüsselstellung einnimmt. In Ländern wie Japan und Südkorea hat die Automobilwirtschaft in der Wirtschaftspolitik erste Priorität. Es erstaunt auch nicht, dass Deutschland in kürzest denkbarer Zeit Abwrackprämien eingeführt hat und die Regierung Bush und Obama die amerikanische Automobilindustrie direkt mit Staatsgelder stützten. China hat kürzlich die Förderung der nationalen Autoindustrie als erstes Ziel ihrer Wirtschaftspolitik der Jahre 2010 bis 2030 erklärt. Der heute 2. grösste Motorfahrzeughersteller der Welt will per Staatsauftrag in den nächsten Jahren die No. 1 in der weltweiten Automobilindustrie werden, was zweifelsohne gelingen wird.
In den letzten 6 Monaten ist der weltweite Absatz von Personen- und Nutzfahrzeuge als Folge der Finanzkrise und ihrer realen Auswirkungen auf die Weltkonjunktur um über 20% gefallen, allein die Produktion ging gleichzeitig um knapp 25% zurück.
In den USA steht der ehemals grösste Autohersteller der Welt GM, kurz vor der Insolvenz. Chrysler hat bereits unter Chapter 11 Konkurs angemeldet. Toyota der grösste Automobilhersteller der Welt schreibt seit zwei Quartalen grosse Verluste, Porsche hat sich an der Übernahme von Volkswagen verschluckt. Traditionelle Marken wie Opel, Chrysler, Jeep, Saab, Volvo, Pontiac, Hummer, Saturn, etc. stehen vor dem Verkauf oder Untergang. Die grossen Lastwagenhersteller VOLVO, SCANIA, MAN, MERCEDES, etc. müssen Absatz- & Produktionseinbrüche von über 50% hinnehmen. Kaum ein Automobilhersteller sieht für das Jahr 2009 die Möglichkeit tiefrote Zahlen zu vermeiden, so dass wieder einmal das Zauberwort von „neuen Allianzen“ und der Aufbruch zu „neuen globalen Zusammenschlüssen“ die Automobilwirtschaft beherrscht, selbstverständlich mit entsprechenden Garantien und Staatshilfen der betroffenen Regierungen, denn was für die Finanzindustrie „gut“ sein soll, muss für die noch bedeutendere Automobilwirtschaft „billig“ sein.
Eine Allianz FIAT/CHRYSLER/OPEL hat Sergio Marchionne aus der Taufe gehoben, wobei die betroffenen Staaten diese finanzieren soll. Sicher eine verlockende Lösung um für FIAT selbst neue Finanzierungsquellen zu erschliessen. Aber ohne jede industrielle Logik: Wenn ein „vermeintlich Reicher“ (FIAT) mit einem Bettler (Opel) sich vereinigt, wird der Reiche wohl kaum reicher; kommt dazu noch ein „Halb-Toter“ (Chrysler) dürfte wohl die Katastrophe programmiert sein.
Richtig ist hingegen, dass GM gerettet werden muss, will die USA weltweit im Automobilgeschäft mitreden. USA braucht dazu neben den „Tranplants“ zwei unabhängige nationale Autokonzern, wie FORD und GM.
Eine Kooperation BMW mit MERCEDES-BENZ, die in einer Fusion zu einem Auto-Technologie-Konzern erster Güte enden könnte, macht ebenso Sinn, wie das Zusammengehen von VW und PORSCHE unter gleichzeitiger Voll-Integration aller Nutzfahrzeugbeteiligungen. Damit hätte Deutschland zwei technologisch gut gerüstete Automobilkonzerne von absolutem Weltrang.
FIAT täte besser sich mit PEUGEOT/CITROEN oder RENAULT/NISSAN zusammenzuschliessen. Am Besten zu einem gemeinsamen Konzern aller französischer und italienischer Marken, eventuell unter Einbezug des Kleinwagen Technologie-Leaders SUZUKI, denn 3 globale Autoplayer sind für Europa genug und Frankreich muss sich sowieso, um die Staatskasse zu entlasten, früher oder später von ihrer RENAULT-Beteiligung trennen.
Eine Allianz HYUNDAI/KIA/HONDA wäre ein japanisch/koreanisches Powerhaus, dass sich gut ergänzen könnte. Während MAZDA und MITSUBISHI wohl am besten bei TOYOTA aufgehoben wären, wo ja schon SUBARU und DAIHATSU eine gute Heimat gefunden haben.
Entscheidend wird jedoch sein: Was spielt CHINA in der weltweiten Automobil-Industrie in den nächsten zehn, zwanzig Jahren für eine Rolle? Im Jahre 2008 steigerte China die Motorfahrzeugproduktion um + 5,21% auf 9,34 Mio. Einheiten. Im Land selbst wurden 9,38 Mio. Fahrzeuge zugelassen oder +6,7%. Im 2008 wurden 680‘700 Motorfahrzeuge exportiert, oder + 11,1% gegenüber dem Vorjahr. Der Import betrug 410‘100 Einheiten, oder + 31,5%. In den letzten 5 Jahren stieg die Autoproduktion in CHINA um 50%, während die Autoproduktion in den USA um knapp 50% fiel! Die 19 grössten Automobilhersteller CHINAS verdienten immerhin in den ersten 11 Monaten 2008 65 Billion Yuans oder 9,6 Billion $ (Quelle: CAAM).
Die chinesische Regierung möchte die Produktion der Automobilindustrie bis zum Jahre 2020 auf 15 Mio. Einheiten steigern und danach bis zum Jahre 2030 auf über 20 Millionen Einheiten, wobei eine Exportquote von 40% ins Auge gefasst wird. Mit anderen Worten strebt CHINA einen Anteil an der Auto-Welt-Produktion von 25% an, wobei dieser heute schon 13,5% beträgt. Es ist klar, dass der Exporterfolg im Autogeschäft zum grössten Teil über den Preisvorteil erkauft werden muss. Im Vordergrund stehen hier sicher ökologisch sinnvolle Klein- bis Mittelklassefahrzeuge mit guter Ausrüstung und preiswerter robuster Technologie, ähnlich, wie das die Japaner und später die Koreaner seinerzeit vorgemacht haben.
Aus Sicht der europäischen und amerikanischen Industrie würde es also durchaus Sinn machen sich von China klar zu differenzieren. In der Vergangenheit haben die Grossen im Autogeschäft ihre Produktionssegmente in einer Vielzahl von Modellen erweitert, beispielsweise vom SMART bis zum MAYBACH. Diese Strategie gilt es zu überdenken. Geht man davon aus, dass neben den Chinesen, vielleicht 7 oder 8 Grosskonzerne den Weltmarkt teilen werden, könnten sich diese durchaus spezialisieren um sich dadurch weniger selbst zu konkurrenzieren und sich so von einander sinnvoll zu differenzieren. Beschränkung auf Nutzfahrzeuge und Personenwagen wäre denkbar. Top-Technologie, Ökologie und Konzentration auf Luxusfahrzeuge mit Spitzentechnologie wäre ein Thema, Alternativ-Antriebe, Integration in intelligente Verkehrsleitsysteme, personalisierte „smart cars“ die interaktiv untereinander kommunizieren können, etc. ein Anderes, und so weiter. Wobei zur Nutzung der Vertriebsorganisationen der einzelnen Konzerne jede Menge an sinnvollen Kooperationen je nach Land und eingeschlagener Strategie denkbar sind.
Nun, da der Staat finanziell der Autoindustrie unter die Arme greifen muss, wäre entsprechender Einfluss auf die Zukunfts-Strategie denkbar, da diesem leider die dazu notwendigen Institutionen, sprich Kompetenz fehlt, gehören jetzt mehr den je die richtige Leute an die Spitze der Autoindustrie und diese kommen meiner Meinung nach nicht aus dem Vertrieb oder aus dem „Boni-Zeitalter“, auch wenn diese heute zur Tarnung vermehrt im Pullover aufkreuzen. Kompetenz aus Forschung, Entwicklung, und zeitgerechtem Marketing und nicht zu letzt auch die Auseinandersetzung mit den allgemeinen Wirtschafts- und Soziologietrends sind heute gefragt und dazu muss mehr den je, ein intensiver Austausch mit Universitäten und Forschungsinstituten weltweit stattfinden und gefördert werden.
Bernhard
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